Ubuntu 19.04 Disco Dingo

Ich habe es schon oft in meinem Blog erwähnt – ich bin ein schamloser Ubuntu-Fanboy. Es war die erste Distribution, die mir die Wunder der Linux-Welt zeigte, und sie liegt mir sehr am Herzen, seit ich in jener schicksalhaften Nacht Ubuntu 7.10 Gutsy Gibbon auf meinem damals noch brauchbaren Computer mit einem Core 2 Duo 5200, 512MB DDR2 RAM und irgendeiner ATI GPU installiert habe.

Es war von da an mein ständiges Produktivsystem und abgesehen von einigen kurzlebigen Abstechern zu den grüneren Wiesen konkurrierender Distributionen war ich glücklich mit dem bräunlichen Farbton des Wallpapers, dem klassischen Setup von Gnome 2 und den afrikanischen Trommeln, die mich bei jedem Systemstart begrüßten. Ich habe über die Jahre daran festgehalten, war gehypt von den ” Windicators“, predigte über Unity, sparte für einen Ubuntu-Fernseher und kaufte 2 Geräte mit Ubuntu Touch. Nicht zu vergessen die vielen Server, die ich im Laufe der Jahre eingerichtet habe und die alle mit irgendeiner Version von Ubuntu laufen. Man könnte sagen, ich war das FOSS-liebende Äquivalent zu einem “iSheep”. Ein “uMule” vielleicht?

Als Mark Shuttleworth bekannt gab, dass Ubuntu die Entwicklung von Unity einstellen und stattdessen auf den Gnome Shell-Zug aufspringen würde, war ich am Boden zerstört. Ich liebte (und liebe immer noch) Unity, mit seiner Eleganz, seinen tollen Funktionen (HUD ist immer noch die beste Desktop-Innovation des letzten Jahrzehnts) und der allgemeinen Stabilität. Ich habe wirklich versucht, Ubuntu 17.10 zu mögen, aber das war einfach zu schwer, es war zu ungeschliffen an den Rändern und, am ärgerlichsten, langsam! Es ist nicht zu entschuldigen, wenn eine Maschine, die mit einem 8-Kern-AMD Ryzen 7 2700X und einer Midrange-AMD-GPU läuft, beim Öffnen eines Anwendungsmenüs kurz einfriert und wie verrückt Frames droppt. Das wurde allerdings in dieser neuesten vorläufigen Version meiner ersten Linux-Liebe – Ubuntu – (teilweise) behoben.

Selbst mit den Performance-Verbesserungen reagiert das Anwendungsmenü nur langsam.

Neue Features

Abgesehen von einer neuen, und meiner Meinung nach optisch ansprechenden Wallpaper-Auswahl gibt es nicht viele neue auffällige Features. Das “Yaru”-Theme (früher bekannt als “Communitheme”) wurde erweitert und umfasst nun mehr Anwendungen. Mit Gnome Tweaks kann man eine experimentelle dunkle Version des Themes verwenden. Da allerdings aus irgendeinem Grund eine Reihe von Anwendungen als Snaps vorinstalliert sind (einschließlich Taschenrechner, Systemmonitor und Logs), wird man ein eher hässliches Design erhalten, da das dunkle Theme mit dem Standard Gnome Theme “Adwaita” der Snaps kollidiert. Ich mag Snaps, aber ich verstehe nicht, warum man vorinstallierte Dienstprogramme auf diese Weise bereitstellen sollte.

Man hat nun mehr Kontrolle über die Night Light-Funktion, außerdem gibt es einige Verbesserungen in den Einstellungen und der Terminal-App. Etwas spannender ist die neue Anwendungsberechtigungssteuerung, die sich an der App-Berechtigungsverwaltung von Smartphone-Betriebssystemen orientiert.

Anwendungs-Berechtigungen

Für mich als Linux-Evangelist ist die neue, erweiterte Canonical Livepatch-Funktion eine große Entlastung. Ich kann meinen Usern diese Option einrichten und ruhig schlafen, da ich weiß, dass sie zumindest ihre Sicherheitspatches erhalten, wenn nicht sogar andere Updates.

Canonical Livepatch

Am wichtigsten ist, und das ist nicht nur Ubuntu vorbehalten, dass die Linux-Kernel-Version auf 5.0 aktualisiert wurde und außerdem die Mesa-Grafikbibliothek endlich Version 19 erreicht hat. Zusammen mit den dringend benötigten Leistungsverbesserungen der Gnome Shell (Version 3.32) sorgen diese Updates für eine deutlich flottere Benutzeroberfläche, weniger gedroppte Frames, mehr Leistung in Spielen und ein insgesamt besseres Desktop-Erlebnis.

Probleme

Ich hatte bisher nur ein paar Probleme mit dieser Version. Da ich den Release seit ein paar Wochen benutze (ergo, vor dem offiziellen Release-Datum), gibt es die winzige Möglichkeit, dass sie nach dem Release behoben werden, aber ich halte nicht vor Spannung den Atem an. Ubuntu 19.04 funktioniert auf meinem Desktop fast fehlerfrei, aber auf meinem Lenovo X1 Carbon (3. Gen.) Laptop dauert es deutlich länger, aus dem Standby zu erwachen und die Sitzung zu sperren/entsperren. Ubuntu 19.04 enthält auch aus irgendeinem Grund nicht das wichtige neue Feature im neuen Gnome 3.32: Fractional Scaling. Das ist kein Problem auf meinem 4K 40″ Bildschirm an meinem Arbeitsplatz, aber es ist eine Qual, wenn ich meinen 2K 14″ Laptop benutze.

Im Vergleich zu meiner vorherigen Distro, KDE Neon 18.04, dauert es viel länger, eine Verbindung zu meinen Bluetooth-Ohrstöpseln herzustellen, und manchmal stottert der Sound stark, so dass ich sie wiederholt trennen und wieder verbinden muss, bis es endlich ok klingt.

Es gibt auch einige Besonderheiten bei der Suche in der Gnome Shell, die mir Audacity als erstes Ergebnis präsentiert, wenn ich nach “Sound” suche und mein Audio-Ausgabegerät wechseln möchte.

Die Suche ist in Gnome noch etwas eigensinnig

Fazit

Trotz dieser wenigen Probleme bin ich mit dieser Version sehr zufrieden. In den nächsten Wochen werde ich mir einige andere Varianten von Ubuntu 19.04 ansehen und meine Eindrücke mit euch teilen. Ich habe das Gefühl, dass ich den Leuten endlich wieder sicher empfehlen kann, Ubuntu zu installieren und sie nicht mit einer Abneigung vor Ubuntu davonlaufen laufen werden, weil die Benutzeroberfläche zu langsam und instabil ist. Wenn einem der kurze 9-monatige Supportzeitraum nichts ausmacht, solltem man sich für Ubuntu 19.04 entscheiden. Wenn man eine langfristige Unterstützung bevorzugt, sollte man bei 18.04. bleiben. Die meisten der Leistungs- und Stabilitätsverbesserungen sollten zurückportiert werden, so dass man nicht viel vom Erlebnis einbüßen muss.

Dieser Artikel erschien auch auf Michal’s Blog und wurde von André Hahn übersetzt.

Das Artikelbild ist von Charlotte Boulanger, ein Mitglied von Ubuntu-fr und man kann das Motiv auch als T-Shirt kaufen.

Ein ewiger Computer Science Student mit einer Leidenschaft für Open Source Evangelismus. Bringt seit 2007 Menschen zu GNU / Linux. Professioneller Software Pfuscher

5 comments On Ubuntu 19.04 Disco Dingo

  • Moin,
    ich nutze auf einem Esprimo mit E4500 und 1,5GB RAM das auf Ubuntu basierte OS “Linux Lite” täglich.
    Fürs Surfen und Email-Kommunikation läuft es tadellos und angenehm schnell, man mag es kaum glauben.
    Multimediabearbeitung würde ich damit nicht machen…

    • Vielen Dank für Ihren Kommentar! Ich habe mir ein paar weitere Distributionen angesehen die ich in Zukunft testen möchte und und habe viel Lob über Linux Lite gehört. Ich werde es mir wahrscheinlich bald mal ansehen.

  • Pingback: Ubuntu 19.04 Disco Dingo - ahahn94's Blog ()

  • Ich habe dem nicht viel hinzuzufügen, da ich ebenso schon ewiger Ubuntu Nutzer bin. Nun bin ich allerdings bei 18.04.04 stecken geblieben. Die Änderungen ab 20.04 engen die Desktop Möglichkeiten mit dem erzwungen Weiland doch ganz schön ein.
    Was mich allerdings mittlerweile ganz schön nervt, ist der Umstand, das während man mit Ubuntu arbeitet einfach alle Schriften verschwinden und man nur noch Kästchen statt Schrift auf dem Bildschirm und den Anwendungen hat. Damit ist das Betriebssystem unbrauchbar weil unbedienbar. Glücklicherweise habe ich immer noch ein Sicherheitskopie meiner Ubuntu Partition mit Clonzilla auf der USB-Festplatte und kann alles komplett wieder herstellen, was ich nun schon zweimal machen musste.
    Schwer in Verdacht für dieses Phänomen habe ich Canonicals Livepatch. Ich habe das nun abgeschaltet und seither ist noch kein Verlust der Schriften in den Darstellungen mehr vorgekommen. Seltsam ist auch, das allein nur der Browser von Brave noch nutzbar war, Firefox hatte auch keine Schriften mehr. Vielleicht hat jemand auch schon so ein Verhalten gehabt. Ich bin da ganz schön ratlos, wie das zustande kommt.

    • Hallo Eva-Roxi,
      diese Probleme kommen mir sehr bekannt vor.
      Damals konnte ich es auf eine SSD zurückführen die langsam kaputt ging und auch diese Probleme mit der Schrift mitbrachte. Nach einer Weile konnte man das System dann gar nicht mehr bedienen.

      Deinen Verdacht mit Livepatch halte ich für unwahrscheinlich, da wird ja eigentlich “nur” live am Kernel rumgedoktert und die Probleme sind eher übergreifender. Das Browser-Phänomen könnte für meine SSD-Theorie sprechen weil Brave wahrscheinlich noch aus dem RAM lief und Firefox schon keine Elemente mehr nachladen konnte.
      Am besten wäre es wohl wenn du dazu mal einen Bugreport erstellst, eventuell kann man das Problem noch weiter eingrenzen 🙂

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