elementary OS 5.1 Hera erschienen

Als ich den Newsletter erhielt, der mich darüber informierte, dass es in wenigen Tagen eine neue Unterversion von Elementary OS geben würde, hatte ich gemischte Gefühle. Ich war froh, dass dieses Projekt, das ich sehr liebenswert finde, gut läuft, aber ich wusste auch, dass es schwierig sein würde, eine Rezension darüber zu schreiben. Das Problem mit Elementary OS ist, dass das dahinter stehende Team mit dieser aktuellsten Version Bugfixes und neue Features (wie z.B. den neuen Login-Greeter) schon frühzeitig in die vorherige Version eingebracht hat. Aus diesem Grund ist es für mich als täglicher Benutzer dieser Linux-Distribution sehr schwierig, eine klare Unterscheidung zwischen der Vorgängerversion Juno und dieser neuen Version – mit dem Codenamen Hera – vorzunehmen. Ich schätze, ich werde versuchen müssen, diese Rezension so anzugehen, als wäre ich ein völlig neuer Benutzer, der das Betriebssystem zum allerersten Mal sieht.

Like a virgin!

Frischer Start

Nachdem die Installation abgeschlossen war, habe ich einen neuen Benutzer angelegt, um zu sehen, wie das Out-of-the-Box-Erlebnis aussah. Ich wurde von einer netten Onboarding-Diashow begrüßt, die denjenigen ähnelt, die Fedora, Ubuntu MATE und viele andere kürzlich veröffentlicht haben.

Es ist eine schöne Note und hilft dem ersten Eindruck, der durch das suboptimale Standard-Setup auf meinem 1440p 14″ Bildschirm jedoch leicht beeinträchtigt wurde. Glücklicherweise schien die Reduzierung der Gesamtskalierung auf 100% und die Erhöhung der Schriftart- und Symbolgröße auf “groß” die Benutzeroberfläche nutzbar zu machen. Sobald das erledigt war, konnte ich weiter den bekanntermaßen wunderschönen Elementary OS-Desktop erkunden.

Die Anwendungsschublade befindet sich wie gewohnt in der linken oberen Ecke des Bildschirms und kann über die Tastenkombination Super + Leertaste aufgerufen werden. Sie ist recht simpel gehalten und erlaubt nur die Suche in Anwendungen und Einstellungen, jedoch nicht in Dokumenten und Dateien, aber zumindest kann man zwischen einer Raster- und einer Listenansicht wählen.

Was ich anfangs noch verabscheute, aber inzwischen zunehmend mag, ist das Management der virtuellen Arbeitsbereiche. Sie werden, wie in Gnome, dynamisch erstellt, sind hier aber horizontal angeordnet und können in einer angenehmen Multitasking-Ansicht verwaltet werden.

Multitasking-Ansicht

Aber atemberaubende Interfaces machen noch lange kein tolles Betriebssystem aus, oder? Glücklicherweise sind die Standard-Apps von Elementary OS auch sehr schön gestaltet. Sie haben vielleicht nicht all den Schnickschnack anderer Software-Suiten (ehm, KDE-Apps), aber sie gleichen ihn mit durchdachtem Design aus. Ein kurzer Hinweis: Da ich den Laptop am Wochenende für die Arbeit benutzen musste, musste ich LibreOffice und Firefox installieren, die standardmäßig nicht vorinstalliert sind. Mit diesem Wissen im Hinterkopf, wollen wir einen Blick auf einige der Standardanwendungen werfen.

Web-Browser

Zweifellos die wichtigste Anwendung in jedem Betriebssystem. Es ist schwer vorstellbar, dass heutzutage irgendjemand ohne einen Webbrowser auskommt. Der Standardbrowser in Elementary OS ist Epiphany, welches ein sehr leistungsfähiger Browser ist, aber nicht wirklich mit Firefox oder Chrome konkurrieren kann. Versteht mich nicht falsch, er ist für normale Benutzer perfekt verwendbar, die sich vielleicht sogar in sein minimalistisches Design verlieben könnten, aber wenn ihr süchtig danach seid, Erweiterungen zu sammeln, solltet ihr euch woanders umsehen. Ich benutze Epiphany normalerweise als meinen zweiten Browser, um meine Vielzahl von Online-Konten leichter voneinander zu trennen.

Code

Einer meiner liebsten Texteditoren aller Zeiten. Ich kann nicht wirklich mit dem Finger auf ein einzelnes Feature zeigen, das diese App gegenüber dem Rest der Kategorie abhebt, aber ich denke, es ist die für Elementary OS typische Mischung aus Nützlichkeit und einem Design, das einem aus dem Weg geht. Mit wenigen Klicks kann ich das Highlighting-Profil, das Farbschema der App oder die Anzahl der Leerzeichen, die jedes Drücken der Tabulatortaste einfügt, ändern. Er hat genau die Funktionen, die ich in einem Editor brauche (und an schnell erreichbaren Stellen) und sonst nichts weiter. Wenn man jedoch der Meinung ist, dass etwas fehlt, kann man die Funktionalität noch erweitern, indem man einige der vielen verfügbaren Plug-Ins installiert.

Dateimanager

Der Dateimanager von Elementary OS, ein weiteres wichtiges Werkzeug in der Werkzeugkiste und fühlt sich an wie der Finder in macOS. Er ist nicht zu sehr mit Schaltflächen und Menüs überladen, unterstützt aber Tabs, die Teilung des Fensters, die Darstellung der Verzeichnisse als Bäume und so weiter. Er ist ein ordentlicher Dateimanager, der jedoch mit einer seiner Standardeinstellung den Leuten auf die Nerven gehen kann: Er öffnet Dateien und Verzeichnisse mit einem nur Klick und erfordert daher, dass man den Mauszeiger vorsichtig an der linken oberen Ecke des Elements positioniert, wenn man eine Datei einfach auswählen möchte. Glücklicherweise ist es nicht schwer, dieses Verhalten in der nicht unterstützten Elementary Tweaks App oder mit einem Terminalbefehl zu deaktivieren:

gsettings set io.elementary.files.preferences single-click false

Ich selbst habe mich gut an dieses Verhalten gewöhnt, aber ich kann mir vorstellen, dass die meisten Menschen nicht bereit sind, ihm eine Chance zu geben.

Musik

Ich höre nicht mehr viel lokale Musik. Ich verliere vielleicht etwas von meiner Open-Source Street Credibility, aber ich konnte der Verlockung des grünen Dämons Spotify nicht standhalten. Es ist einfach eine so bequeme Art, eine Vielzahl von Genres zur Hand zu haben, ohne auf Piraterie zurückgreifen zu müssen. Ich suche auch normalerweise nicht nach Künstlern, sondern interessiere mich mehr für bestimmte Genres, die der aktuellen Stimmung entsprechen, und Spotify ermöglicht es mir, die Musik an diese anzupassen. Davon abgesehen wäre die Musik-App von Elementary OS genauso gut wie jede andere geeignet, wenn ich immer noch meine lokale mp3/flac-Bibliothek zur Hand hätte. Sie passt sich optisch dem Rest des Systems an, importiert die eigene Musik automagisch aus dem Ordner ~/Music und spielt sogar Musik ab. Was kann man sich mehr wünschen?

Video

In Bezug auf die tatsächliche Verwendung ist die lokale Videowiedergabe für mich viel wichtiger als die lokale Musikwiedergabe. Ich benutze oft youtube-dl, um Videos von meinen Lieblings-Youtube-Kanälen, Udemy-Kursen, usw. herunterzuladen. Die Standard-App ist zwar ausreichend kompetent, aber ich bin an VLC/mpv so gewöhnt, dass ich sie heutzutage fast über das Muskelgedächtnis installiere.

Fotos

Die Fotos-App ist, wie alle anderen Standard-Apps von Elementary OS, so konzipiert, dass sie nur das absolute Minimum an notwendigen Funktionen bietet. Sie eignet sich gut, um sowohl Einzelbilder als auch Diashows zu betrachten, kann grundlegende Bildoptimierungen (Zuschneiden, Neigen, Farbkorrektur) durchführen und die Datei als ein anderes Bilddateiformat exportieren, aber ich würde mir eine einfachere Möglichkeit zur Umbenennung von Bildern für die kommenden Versionen wünschen. Im Moment muss man sich durch ein klobiges Menü klicken, das sich irgendwie nicht nach Elementary anfühlt. Ansonsten handelt es sich um einen gut aussehenden Bildbetrachter, der den meisten Nutzern gut dienen wird.

Kalender

Ich war noch nie gut darin, meine Zeit zu organisieren. Versteht mich nicht falsch, ich liebe es, Kalender zu entwerfen und komplexe Zeitpläne für alles zu erstellen, von wichtigen Meetings bis hin zum Toilettengang, aber es hält meine Aufmerksamkeit nur für ein paar Tage am Stück. Danach verschwinden meine kalendarischen Gewohnheiten bei der ersten Gelegenheit und alles, was mir bleibt, ist eine deprimierende Erinnerung an meine mangelnde Planung. Wenn ich jemals wieder anfange, einen Kalender zu führen, ist die Kalender-App von Elementary OS so gut wie jede andere darin, mir dabei zu helfen. Man kann ganz einfach Termine hinzufügen – mit Ort, Teilnehmern, Erinnerungen, etc.

Mail

Ich muss zugeben, dass ich Geary, dem Standard-Mail-Client, aufgrund der zeitlichen Einschränkungen keine faire Chance gegeben habe. Ich war froh zu sehen, dass meine Beschwerden über die Probleme mit der Textkodierung veraltet sind, und ich denke, ich werde versuchen, meine Konten von Thunderbird in den nächsten Tagen dorthin zu migrieren. Falls ich etwas Interessantes dazu zu sagen habe, werde ich hier ein Update zu diesem Abschnitt hinzufügen.

Geary E-Mail-Client

Verschiedenes

Neben den bereits genannten Apps gibt es auch einen einfachen Taschenrechner, eine Selfie-Kamera und ein Screenshot-Werkzeug.

AppCenter und Sideloading

Apps in Elementary OS werden in der Regel über das AppCenter installiert. Es ist ein gut aussehender Repository-Browser und bietet die zusätzliche Funktion, kuratierte Apps durch ein “Pay what you want”-Modell zu monetarisieren. Ich selbst habe einen oder zwei Dollar an einige der Entwickler gezahlt, da die Elementary-spezifischen Apps normalerweise sehr hübsch sind und ich sie gerne benutze. Das Problem ist, dass man seine Einkäufe nicht behalten kann, wenn man seinen Computer löscht oder zu einem neuen wechselt, da es kein Online-Konto für Elementary OS gibt. Es ist kein großes Problem, da man das Bezahlen für Apps ablehnen kann, aber wenn man das tut, muss man die Updates manuell installieren. Dies ist ein Fall, in dem es mir nichts ausmacht, mich für ein Online-Konto registrieren zu müssen, und die Entwickler von Elementary OS sollten darüber nachdenken, hier ein Online-Kontensystem einzuführen. Abgesehen von diesem mittelgroßen Problem funktioniert das AppCenter einwandfrei.

Es gibt noch einen weiteren Punkt, mit dem ich ein kleines Problem habe. Die Installation von Flatpaks wird als “Sideloading” bezeichnet, was das Gefühl hervorruft, etwas “Fortschrittliches” und Entwickler-mäßiges zu tun, was nicht der Fall ist. Es fehlen viele Apps im AppCenter-Repository, zum Beispiel Spotify, und die Aktion “Install” auf der Flathub-Seite der App aufzurufen, als “Sideloading” zu bezeichnen, erweist dem Prozess einen schlechten Dienst, da es an sich einfach zu tun ist und nach meiner Erfahrung zuverlässiger funktioniert als auf Fedora.

“Sideloading” von Flatpaks

Aufgrund der Größe des Repositorys hätte ich es vorgezogen, wenn sich Elementary für Snaps entschieden hätte, aber ich kann die Gründe sehen, aus denen sie sich für Flatpaks entschieden haben. Die Möglichkeit, Snaps zu installieren, ist nur ein einziges sudo apt install snapd weit weg, daher stört es mich nicht zu sehr.

Probleme

In meiner begrenzten Zeit die ich zum testen hatte, habe ich ein ziemlich ernstes Problem festgestellt. Ich trage fast ständig meine Jabra Elite Active 65t Kopfhörer, und heute, während ich diesen Artikel schreibe, haben sie sich vom Standard A2DP-Modus (hochwertiger Stereoausgang) auf HSP (minderwertiger Monoausgang) umgestellt. Ich habe dies bei anderen Distributionen erlebt, aber es war das erste Mal, dass ich den Modusschalter nirgendwo in den Einstellungen finden konnte. Der einzige Workaround ist, das Headset zu entkoppeln, es erneut zu koppeln und auf das Beste zu hoffen.

Kein Umschalter in den Audio-Einstellungen

Fazit

Elementary OS 5.1 Hera ist keine Hauptversion, egal nach welchen Kriterien. Es ist eine gute Iteration einer ausgefeilten Benutzererfahrung, die Funktionen umfasst, die langsam zur 5.0 Juno-Version hinzugefügt wurden. Es ist eine großartige Out-of-the- box-Erfahrung und löst eines der Probleme, die Anwender mit den Vorgängerversionen hatten – die klobige Gestaltung der Installation von Drittanbieter-Applikationen. Da Flatpaks gut funktionieren, lenkt einen dieses Problem nicht mehr davon ab, die durchdachte Arbeit von Daniel, Cassidy und dem Rest des Teams zu genießen.

Dieser Artikel erschien auch auf Michal’s Blog und wurde von André Hahn übersetzt.

Ein ewiger Computer Science Student mit einer Leidenschaft für Open Source Evangelismus. Bringt seit 2007 Menschen zu GNU / Linux. Professioneller Software Pfuscher

3 comments On elementary OS 5.1 Hera erschienen

  • Pingback: Elementary OS 5.1 Hera erschienen - ahahn94's Blog ()

  • Hallo,
    Ja, elementary-OS hatte ich vor längeren auch mal für gut empfunden, ist es ja eigentlich auch, wenn doch nicht alle Apps gut funktionieren, oder besser gesagt funktionierten. Was ich bei diesem OS vermisse, ist eine Aplikation-Menüleiste, so wie es bei Mac-OS üblich ist, denn schließlich werben die ja mit ihrer sogenannten Mac-OS ähnlichen Oberfläche. Leider kommt es nicht an die Anpassbarkeit anderer Linux-Systeme heran. Aber wahrscheinlich bin zu sehr auf mein XFCE4 eingeschworen. Irgendwie hört man irgendwann auch auf alles aus zu probieren, wenn man mit dem was man nutzt auch zufrieden ist Nich desto trotz, ein interessanter Artikel.

  • Ich kann mich der Begeisterung nicht so recht anschließen. Zugegeben, der Pantheon Desktop sieht schick aus; richtig richtig schick. Der bei verschiedenen Rezensionen gerne benutzten Floskel “schönster Desktop für Linux” kann ich mich anschließen. Das ist aber auch schon alles, was man uneingeschränkt positives sagen kann, denn leider schränkt die Distribution mich zu sehr ein.

    So ist es zum Beispiel nicht ohne weiteres möglich, Programme zu minimieren. Es geht nur, in dem man das entsprechende Symbol im Plank-Dock anklickt. Blöd nur, wenn man mehrere Instanzen eines Programms offen hat und nur eine Instanz minimieren möchte. Klingt nach einem banalen Problem, ist aber für mich es eine Enschränkung der Usability.

    Suboptimal ist es auch, dass sich Messenger (in meinem Fall Telegram und Vipole) nicht in der Leiste ablegen dürfen. Auch das klingt banal, aber so ist man gezwungen, die Messenger über Plank zu minimieren. Klickt man mit dem “bösen X” das Programm weg, bleibt es nicht im Hintergrund und man bekommt neue Nachrichten nicht mit.

    Apropo Vipole Messenger: Den gibt es nicht als snapshot oder *.deb, sondern wird über eine *.run Datei installiert. Im Gegensatz zu anderen Linux-Desktops hat man nach der Installation keinen Eintrag im Start-Menü. Auch nachträgliches Eintragen funktioniert nicht, sodass man es nur im Terminal mit ./vipole.run starten kann.

    Richtig genervt hat mich der Dateimanager mit seinem single-click. Ok, durch diesen Artikel habe ich den Trick gefunden, um das abzustellen. Aber das kann es doch eigentlich nicht sein. Ich sag mal, 99% aller Menschen auf diesem Planeten sind an den double-click gewöhnt. Es ist nicht nachzuvollziehen, warum man so eine Sonderlocke einbaut.

    Ich habe mal versucht, den Pantheon Desktop bei Ubuntu 18.4.4. LTS nachzuinstallieren. Das geht und läuft auch. Die Probleme bleiben jedoch die gleichen (war wohl zu erwarten).

    Mein persönliches Fazit ist, dass der Pantheon Desktop keinen Spaß macht. Schick aussehen ist halt nicht alles. Dazu kommt, dass es mit Budgie eine Alternative gibt, die fast genauso schick daherkommt und alle genannten Einschränkungen und Probleme nicht hat.

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